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Treffen von Landeskabinett und Handwerkskammerspitzen in Hannover
Koalitionsvereinbarungen bilden Grundlage für einen intensiven Austausch
Nach einer dreijährigen, coronabedingten Auszeit hat die niedersächsische Staatskanzlei sehr früh nach ihrer Regierungsbildung zum traditionellen Kabinettsgespräch mit dem Handwerk ins Gästehaus der Landesregierung eingeladen. In seiner Begrüßung betont Ministerpräsident Weil, dass Mittelstand und Handwerk mit Blick auf die aktuellen Herausforderungen in seinem besonderen Fokus stehen. „Die große Zahl der Themen zeige deutlich, dass der Gesprächsbedarf hoch ist", macht Eckhard Stein, Vorsitzender der Landesvertretung der Handwerkskammern Niedersachsen e.V. (LHN) deutlich. Gleichzeitig dient gerade ein solches Präsenztreffen einem unmittelbaren, persönlichen Austausch, was gerade heute von außerordentlicher Bedeutung ist.
Auf der Agenda steht die Bewältigung der aktuellen Energiekrise über die Abschlagzahlungen im Dezember, die Gas- und Strompreisbremse, das KMU-Kostenentlastungsprogramm und die Härtefallfonds. Wichtig aus Sicht der Handwerksvertretung ist nun die schnelle und unbürokratische Entlastung, speziell auch für die besonders energieintensiven Gewerke, wie beispielsweise die Bäcker oder auch die Textilreiniger. Zudem sollte dafür Sorge getragen werden, dass das Handwerk aIs der Motor in der Energie- und Klimawende in alle entsprechenden Initiativen hin zum Klimabeirat eingebunden wird. „In Anbetracht der Inflationsentwicklung und der zunehmenden Verunsicherung der Handwerkskunden blickt das niedersächsische Handwerk mit Sorge auf das kommende Jahr," so Stein.
Neben diesen akuten Themen fordert das Handwerk von der Landesregierung aber auch bei grundsätzlichen Themen, wie z.B. der Bildungswende ernst zu machen. Die Handwerksspitzen machen gegenüber der neuen Kultusministerin, Frau Hamburg, deutlich, dass wenn zwei Drittel der jungen Menschen sich beruflich nicht gut informiert fühlen und orientierungslos sind, die Berufsorientierung in den Schulen deutlich verbessert werden muss. Das Handwerk setzt auf ein Ankerfach Berufsorientierung ab der 7. Klasse, die Aufnahme der Berufsorientierung in die Lehreraus- und -fortbildung sowie ein auf Berufsorientierung spezialisiertes Referat im Kultusministerium. Zusätzlich sollte in der Grundschule flächendeckend und verbindlich, neben der Verstärkung der Fächer Lesen, Schreiben und Rechnen, Werkunterricht angeboten werden. Ergänzend zur Vermittlung von sozialen, emotionalen und digitalen Kompetenzen, sind auch motorische, haptische und sensorische Fähigkeiten im Grundschulalter zu vermitteln. Freude am handwerklichen Arbeiten lässt sich nur dann entwickeln, wenn man sie auch kennenlernt. Zudem sind das Azubi-Ticket und auch bevorzugtes Azubi-Wohnen bei weiter entfernt liegenden Ausbildungsstandorten über die Forcierung des sozialen Wohnungsbaus zu unterstützen. Von besonderer Bedeutung ist schließlich die Sicherstellung der Finanzierung der überbetrieblichen Bildungsstätten mit 10 Millionen für die Investitionen und 12 Millionen für die überbetriebliche Unterweisung, d.h. die Lehrgänge. Das Handwerk kann nicht Jahr für Jahr in eine Bittsteller-Position gedrängt werden.
Einen hohen Handlungsbedarf gibt es auch mit Blick auf die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Wenn die Verdoppelung der Gründungsquote – wie in der Koalitionsvereinbarung dargestellt – ein ernstes Ziel ist, sind weitere Verbesserungen im unternehmerischen Umfeld erforderlich, um junge Menschen zu motivieren unternehmerisch tätig zu werden und auch bestehende Betriebe zu übernehmen. Speziell beim Bürokratieabbau darf es keinen Rückschritt geben. „Die gerade erst eingerichtete Clearingstelle bedarf keiner befristeten Verlängerungen ihrer Laufzeit, sondern einer langfristigen Perspektive mit der Möglichkeit der Weiterentwicklung," fordert das Handwerk. Darin sind sich Handwerk und Wirtschaft sehr einig.
Insgesamt wurde sich darauf verständigt, die verschiedenen Themen in nachfolgenden Gesprächen weiter zu vertiefen.
Hannover, 06. Dezember 2022