Endspurt bis Jahresende: Im Handwerk können noch weiter Ausbildungsverträge abgeschlossen werden

- Alle Türen stehen noch offen -

„60 Prozent der Handwerksbetriebe haben alle Ausbildungsplätze besetzt, bei 40 Prozent der Betriebe geht noch etwas!“. Karl-Wilhelm Steinmann, Vorsitzender der Landesvertretung der Handwerkskammern Niedersachsen (LHN), ruft anlässlich der diesjährigen LHN-Sommerpressekonferenz im Ausbildungsbetrieb Pascheit in Hannover zum Jahresendspurt auf. Die LHN hat eine landesweite Umfrage durchgeführt, an der sich 1.400 Ausbildungsbetriebe aus den unterschiedlichsten Gewerken beteiligt haben.

Das Handwerk bildet in 130 Berufen qualifizierte Fachkräfte aus. Speziell in den Friseurbetrieben gibt es – so die Umfrage – noch viele offene Lehrstellen. Diese Betriebe waren aufgrund der Schließungszeiten sehr stark von der Coronakrise betroffen und konnten vor allem in 2020 nur eingeschränkt ausbilden. Jetzt suchen viele Friseurbetriebe wieder. Im Zuge der hohen Baunachfrage gilt dieses auch im Metallbau, bei den Maurern und Betonbauern, bei den Elektrotechnikern, den Maler und Lackierern, den Installateuren und Heizungsbauern, den Zimmerern und den Tischlern.

Gerade in so bewegten wirtschaftlichen Zeiten ist es positiv, dass 86 Prozent der befragten Ausbildungsbetriebe frühzeitig eine Bleibeperspektive nach Ausbildungsabschluss bieten. 45 Prozent unterstützen die Auszubildenden mit Nachhilfeangeboten und 36 Prozent werben mit weiteren Zusatzqualifikationen – dazu zählt z.B. das BerufsAbitur für den gleichzeitigen Erwerb des Gesellenbriefs und einer Hochschulzugangsberechtigung. Ferner finanzieren Betriebe z.B. einen Führerschein, stellen ein Azubirad oder ein Azubimobil zur Verfügung oder geben Unterstützungen bei der Wohnungssuche.

„Diese Angebote sind gut! Wirklich wichtig ist aber vor allem eine qualifizierte, fundierte Ausbildung und ein Ausbildungsabschluss, der alle Wege offenhält“, betont Steinmann.

Viele der besonders nachgefragten Berufe befassen sich mit Themen des Umweltschutzes, der Energiewende oder auch des nachhaltigen und ressourcenschonenden Wirtschaftens. Sie sind daher nicht nur zukunftssicher, sie sind zukunftsrelevant! Unwetterereignisse, wie jüngst in NRW, machen dieses auf erschütternder Art und Weise deutlich. Jungen Menschen wird es in Zukunft immer wichtiger werden, etwas Sinnvolles und Nachhaltiges zu tun. Immer öfter wird gefragt, wozu ist das gut, was ich tue? Das Handwerk kann insgesamt darauf eine gute Antwort geben. Betriebliche Energie- und Klimaaspekte können bei der Ausbildungsakquise im Handwerk eine Rolle spielen. Jeder fünfte Ausbildungsbetrieb stuft dieses bei den Auszubildenden als entscheidend relevant ein.

Die Betriebe bewerben ihre Ausbildungsplätze auf ihrer Webseite, im Freundes- und Bekanntenkreis, in sozialen Medien oder in den Ausbildungsplatzbörsen der Handwerkskammern und Schulen. Über digitale Berufsmessen, virtuelle Betriebsbesuche, Elterninformationstelefone und digitale Azubispeeddatings wurde innerhalb kürzester Zeit zudem ein neues Informationsangebot geschaffen.

„In jedem Fall lohnt eine Anfrage bei der Ausbildungsberatung der jeweils zuständigen Handwerkskammer“, betont Steinmann. Der LHN-Vorsitzende fordert alle jungen Menschen auf, die noch unversorgt und unentschieden sind, auch einfach mal bei einem Betrieb vor Ort nachzufragen. Ein Praktikum hilft vielfach bei der Entscheidungsfindung. 95 Prozent der Betriebe schätzen Schülerpraktika zum persönlichen und praktischen eigenen Erleben einer handwerklichen Ausbildung als wichtig ein - darunter über 70 Prozent sogar als besonders relevant. „Handwerk muss erlebt werden. Handwerk muss man einfach machen!“

Steinmann fordert vor dem Hintergrund des hohen Fachkräftebedarfs von der Politik und allen Bildungsverantwortlichen:

1. Die Berufliche Orientierung ist weiter auszubauen! Das Kultusministerium muss ein spezielles Referat zur Berufsorientierung einrichten. Kein junger Mensch muss orientierungslos sein, die Vielfalt und das Angebot an Ausbildungsberufen ist groß!
2. Die digitalen Berufsorientierungsformate müssen von allen Akteuren in der beruflichen Bildung weiter professionalisiert werden. Sie dienen der Erstansprache und bieten sich an, um junge Menschen für die Chancen zu sensibilisieren!
3. Die Zusammenarbeit mit den allgemeinbildenden Schulen ist zu intensivieren. Ausbildungsbotschafter*innen, d.h. junge Auszubildende, die von ihrem Ausbildungsleben berichten, müssen intensiver in den Schulen eingesetzt und in Abstimmung mit den Kammern unterstützt werden. Es gibt so viel zu tun, um mit antiquierten Berufsbildern aufzuräumen!
4. Schulpraktika müssen wieder in vollem Umfang möglich sein. Der Wert des Praktikums muss in seiner Bedeutung für die Berufswahlentscheidung deutlicher hervorgehoben werden!
5. Die Sprachförderung im Hinblick auf sprachlogische Kompetenzen – auch bei Muttersprachlern – muss gestärkt werden. Die Mehrzahl der Betriebe, d.h. 80 Prozent können dieses in der betrieblichen Ausbildung nicht allein leisten – trotz ihrer hohen Unterstützungsbereitschaft.
6. Ein landkreisübergreifendes AzubiTicket zur Attraktivitätssteigerung und Stärkung der Mobilität speziell für Auszubildende ist unverzichtbar. Nur wenn ein AzubiTicket vom Wohnort zum Ausbildungsbetrieb, zur Berufsschule und zur überbetrieblichen Bildungsstätte nutzbar ist, ist es ein echter Mehrwert.
7. Berufsschulen und überbetriebliche Bildungsstätten müssen besser ausgestattet werden. Das Kultusministerium hat an dieser Stelle erste Schritte unternommen, weiß aber auch, dass dieses erst ein Anfang sein kann.

 

„Deutschland und auch Niedersachsen sind erfolgreich mit zwei Säulen der Bildung, einer exzellenten akademischen und einer exzellenten beruflichen Säule. Aktuell müssen vor allem größere Anstrengungen unternommen werden, um die zweite Säule zu stärken, damit keine Schieflage entsteht“, betont Steinmann.

Weitere Informationen:

Studie zum Glück im Handwerk: www.handwerksstolz.de

 

 Hannover, 14. September 2021